Von der „Rentner-Drohne“ zum „gestylten Sondermüll“
Die lustigste Hetzrede zum Thema Pedelecs hat nun weitere historische fünf Jahre hinter sich. Damals machte der selbsternannte „Wunderläufer“ Achim Achilles alias Journalist Hajo Schumacher in seiner SPIEGEL-Kolumne keinen Hehl aus seiner Verachtung und sogar Hass gegenüber E-Bikes und ihren Fahrern. Er nannte sie „stille Angreifer“, die sich mit ihren „Rentnerdrohnen“, ihren „Fahrradattrappen mit Zierkurbeln und Zierpedalen“ zum „neuen Ärgernis“ auf „deutschen Radwegen“ entwickelt hätten. „Nie zuvor hat ein Gerät Komfort und Bewegungsmangel dreister getarnt als das Pedelec“, indem es „Menschen ohne große Behinderung zum Nichtstun verführt.“
Ja, so klang es, der Widerstand, der zunächst bei Pedelecs aufkam. Das konnte ihrem Siegeszug keinen Abbruch tun und da viele Berufstätige in ihren besten Jahren E-Bikes als Pendler auf dem Weg zur Arbeit nutzen, ist das Vorurteil, E-Bike-Käufer seien alt und/oder faul, widerlegt.
Fragwürdiges ökologisches Gleichgewicht
Aber in einem Punkt hatte Achim Achilles vielleicht nicht so unrecht. Sicherlich lebt die Formulierung des Pedelecs als „gestylter Sondermüll“ vom Wunsch nach Übertreibung. Doch auch ein halbes Jahrzehnt später ist die Tatsache, dass „Pedelecs mit ihren Akkus, idealerweise noch mit Problemstrom geladen“, „in ihrer Ökobilanz bedenklich“ seien, immer noch ein oft gehörter und nicht von der Hand zu weisender Kritikpunkt. Gerade angesichts explodierender Verkaufszahlen und ihres „grünen“ Images stellt sich die Frage, wie umweltfreundlich Elektrofahrräder tatsächlich sind.
„Fahrrad-Recycling-Depot“. Bildquelle: Peter Blanchard via flickr.com
Quellenpotpourri
Um das herauszufinden, haben wir verschiedenste Quellen genutzt: von A wie ADFC, über taz.de, UBA, Utopia.de, VDZ bis hin zu ZIV und ZEG. und vieles mehr, die wiederum auf diverse Studien zurückgreifen. Und wer nur den Bahnhof versteht, dem geht es ein wenig wie uns – angesichts vieler, teils widersprüchlicher Daten, Fakten und Meinungen.
Um Licht ins Dickicht zu bringen, möchten wir einige Aspekte hervorheben:
- Problematische Produktionsketten
- Die CO2-Emissionen bei Produktion und Betrieb
- Haltbarkeit der Teile und des Fahrrads als Ganzes
- Akku Adé – das Recyclingproblem
- Vergleich von Äpfeln mit Birnen
Problematische Produktionsketten
Die für Elektrofahrräder am häufigsten verwendeten Lithium-Ionen-Batterien werfen mehrere Probleme auf: hinsichtlich ihrer Herstellung, ihrer Lebensdauer und ihrer Recyclingfähigkeit. Zu den benötigten Rohstoffen gehören: so Tobias Schleicher vom Öko-Institut B. B-Kobalt, das hauptsächlich im Kongo unter teilweise dramatischen Arbeitsbedingungen, einschließlich Kinderarbeit, abgebaut wird. Gut ein Drittel des Lithiums stammt aus Chile und verschmutzt dort die großen Salzseen der Atacama-Wüste. Laut dem unabhängigen Magazin Bicycle Future und des Pressedienst Fahrrad Rund 90 Prozent der Batterieproduktion findet in Fernost statt, wo günstiger Strom in Kohlekraftwerken mit besonders hohem CO2-Ausstoß erzeugt wird. Da die benötigten Rohstoffvorräte endlich sind, z. B. dass Handelsblatt eine Rohstofffalle. Im Gegensatz dazu findet das Fairkehr-Magazin des ökologisch orientierten Deutschen Verkehrsclubs (VCD)„Die Frage des begrenzten Angebots an Lithium für die Batterieproduktion ist bei E-Bikes im Vergleich zu Elektroautos aufgrund der kleineren Batterie: in der Größenordnung von 2,5 kg bis 300 kg Batteriegewicht, deutlich weniger wichtig.“
Die CO2-Emissionen bei Produktion und Betrieb
Auch die VCD zitiert einen Studie des IVL Schwedisches UmweltforschungsinstitutDemnach „bei der Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien […] „Pro Kilowattstunde Batteriekapazität werden etwa 150 bis 200 Kilogramm CO2-Äquivalent (CO2e) ausgestoßen.“ „Bei der Herstellung einer Pedelec-Batterie mit einer Kapazität von 500 Wattstunden sind das 75 bis 100 Kilogramm CO2e. Gehen wir von einer Reichweite von 60 Kilometern pro Akkuladung und einer Akkulebensdauer von 500 Ladezyklen aus […]Mit einer Batterie kann man rund 30.000 Kilometer fahren. […]. Umgerechnet liegt der CO2-Ausstoß der Batterieproduktion bei 2,5 bis 3,3 Gramm CO2 pro gefahrenem Kilometer.“ Und weiter: „Jede Wattstunde Strom, die ein deutsches Kraftwerk erzeugt, stößt es durchschnittlich ein halbes Gramm CO2 aus.“ Laut ADFC benötigt ein Pedelec in der höchsten Tretunterstützungsstufe rund 8,5 Wattstunden pro Kilometer. Wer einen Kilometer fährt, stößt rund 4,5 Gramm CO2 aus. Inklusive der Emissionen aus der Batterieproduktion beträgt der CO2-Ausstoß beim Pedelec-Fahren 7 bis 7,8 Gramm CO2 pro Kilometer.“
Laut einer Analyse von Transport & Environment und der Vrije Universiteit Brussel ist das 15-mal weniger als bei einem Elektroauto und sogar 28-mal weniger als bei einem Dieselmotor. Laut ADFC kommt man zum gegenteiligen Ergebnis interdisziplinäres, gemeinnütziges Umwelt- und Prognoseinstitut UPIDamit liegt der CO2-Ausstoß von Elektroautos bei der Stromerzeugung „ungefähr auf dem Niveau von Benzin und Benzin.“
Dieselautos“. Der Klare Empfehlung des ADFC lautet: „Nur wenn Elektroautos vollständig mit Ökostrom geladen werden, wird die Umweltbelastung auf Dauer etwas günstiger ausfallen.“
Das Extra-Energy-Institut errechnet einen Pedelec-Stromverbrauch von 0,5 bis 2 kWh pro 100 km, abhängig von der Topographie. Die Zukunft des Fahrrads wird kritisiert, diese Zahlen berücksichtigen jedoch nicht die Produktionskosten und die begrenzte Lebensdauer des Akkus und kommen zu dem Schluss, dass die Kilowattstunde „unangenehme 5 Euro“ kostet. Allein für die Anschaffungskosten des Akkupacks werden 2,40 Euro pro 100 km berechnet. Damit kommen die Verbrauchskosten eines Mopeds oder eines Kleinwagens zu zweit ins Gewicht – und das trotz der Mineralölsteuer.“ Das bedeute, dass ein Pedelec „pro Strecke genauso teuer sei wie ein Kleinwagen“. das Thema nachhaltiges Leben, Utopia.de erteilt Elektrofahrrädern die Freigabe: „100 eingesparte Autokilometer machen einen E-Bike-Akku wett.“
Haltbarkeit der Teile und des Fahrrads als Ganzes
Utopia.de erwähnt noch einen weiteren Aspekt: Im Vergleich zu einem sportlichen Radfahrer, der mit rund 100 Watt Dauerleistung in die Pedale tritt, sind es bei einem Elektrofahrrad über 300 Watt. So werden nicht nur die Batterie, sondern auch die anderen Antriebsteile deutlich stärker beansprucht, obwohl Kette und Getriebe für solche Belastungen nicht ausgelegt sind. Und der Versuch, E-Bikes immer leichter zu machen, geht oft auf Kosten der Langlebigkeit dieser Komponenten. Bicycle Future argumentiert, dass „ein Trekkingrad problemlos 100.000 km oder über zehn Jahre genutzt werden kann“. Etwas Vergleichbares kann man sich für ein Elektrofahrrad kaum vorstellen.
Akku Adé – das Recyclingproblem
Bisher wurden Lithiumzellen nicht recycelt; sie gelten als gefährlicher Abfall. Da es sich jedoch um Industriebatterien handelt, ist das Recycling Pflicht; Auf keinen Fall dürfen sie „thermisch verwertet“ (also verbrannt) werden. Utopia.de stellt fest: „Obwohl in den letzten Jahren immer mehr Li-Ionen-Akkus verkauft wurden, wurden deutlich weniger in den Sammelstellen zurückgegeben.“ Als Grund wird vermutet, dass viele Verbraucher schwache oder defekte Batterien zu Hause als Reserve aufbewahren, anstatt sie zu recyceln.
Sogenannte Second-Life-Konzepte geben alten Batterien ein zweites Leben, z. B. in Heimspeichern. Bisher sind diese Ansätze noch Zukunftsmusik.
Die taz zitiert das Freiburger Öko-Institut, wonach „die Batterie die Ökobilanz der Pedelecs am meisten verschlechtert.“ Spätestens nach fünf Jahren ist es meist nicht mehr verwendbar und muss ersetzt werden. Wir bezweifeln aber, dass dies dazu führen wird, dass viele Besitzer ihre Fahrräder einfach wegwerfen, wie die taz spekuliert.
„E-Bikes sind die besseren… – ähm, was genau?“ Der alte Apfel-Birnen-Vergleich
Um es kurz zu machen: Während die weitverbreitete Meinung ist, dass E-Bikes herkömmliche Autos mit Verbrennungsmotor sowie Elektroautos in ihrer Ökobilanz um Längen schlagen, kann man das von dem guten alten Fahrrad nicht behaupten Großeltern werden seit dreißig Jahren von ihnen begleitet. Während die Teile von Pedelecs aus der vormotorisierten Zeit nicht in erster Linie darauf ausgelegt sind, den Kräften standzuhalten, die bei den erhöhten Geschwindigkeiten von E-Bikes auf sie einwirken, ist das Tretrad in puncto Haltbarkeit nahezu „unkaputtbar“. Und wenn mal etwas kaputt geht, sind die Komponenten nicht so teuer wie im schlimmsten Fall eine neue Batterie. Doch angesichts der heutigen Lebensrealität stellen herkömmliche Fahrräder für viele Fahrradnutzer keine echte Alternative dar.
Denn wie der Unternehmensblog 123energie.de schreibt: „Für viele Menschen ist das E-Bike nicht nur ein motorisiertes Fahrrad – es hat in vielerlei Hinsicht sogar das Auto ersetzt.“ Der ökologische Verkehrsclub VDC hat hierzu 2013 eine eigene Studie durchgeführt. Das Ergebnis: Über 50 Prozent nutzen das Pedelec für den Weg zur Arbeit und 36 Prozent fahren es sogar täglich. Besonders gut punktet das E-Bike auf Kurzstrecken, für die die Anreise mit dem Auto oft zu umständlich ist.“
Das Politische Die einflussreichste Einschätzung stammt vom Umweltbundesamt (UBA):
„Die Vorteile von E-Bikes, zu denen auch Pedelecs und E-Bikes zählen, liegen auf der Hand: Sie sind leise und verursachen deutlich weniger CO2-Emissionen, Feinstaub (PM10) und Stickoxide (NOX) als Autos.“ Mit einem steigenden Anteil erneuerbarer Energien im deutschen Stromnetz werden auch diese geringen Emissionen weiter sinken.
[…] Für eine Strecke von 10 km benötigt ein E-Bike nur etwa so viel Energie, wie zum Kochen von 0,7 Liter Wasser bei Zimmertemperatur erforderlich wäre.
Bei der Produktion und Entsorgung der am häufigsten in E-Bikes verwendeten Lithium-Ionen-Akkus fallen zwar Treibhausgasemissionen an, doch vergleicht man diese mit den eingesparten Pkw-Kilometern, kompensieren sich die CO2-Emissionen des Akkus bereits nach 100 E-Bike-Kilometern .“
Für Elektro-Fahrradanhänger: Der vielleicht wichtigste Satz aus dem UBA, geschrieben im schönsten Amst-Deutsch„Das Umweltbundesamt empfiehlt, darüber nachzudenken, ob man mit einem Pedelec Fahrten zurücklegen kann, die man normalerweise mit dem Auto zurücklegen würde.“
Abschluss
Vor- und Nachteile von Elektrofahrrädern
Es gibt diejenigen, die das ausspielen und E-Bikes ein sehr gutes Umweltzertifikat ausstellen. Und es gibt diejenigen, die akribisch kalkulieren und die Uhr gerne in eine Zeit zurückdrehen würden, in der Fahrräder ausschließlich durch Beinfett angetrieben wurden.
Die Realität ist nicht schwarz und weiß
Für die heutige Realität, mit wachsenden Städten, drohenden Verkehrskollaps durch Autos, der Trennung von Wohn- und Arbeitsort, den Anforderungen an Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer Mobilität – um nur einige Gründe zu nennen – stellen Elektrofahrräder ein ideales Fortbewegungsmittel dar stellt einen guten Kompromiss aus Nützlichkeit (neue deutsche Benutzerfreundlichkeit) und akzeptablen Emissionen dar. Allerdings stehen Pedelecs noch ganz am Anfang ihrer Entwicklung. Auf dem Weg zu einem wirklich unproblematischen Transportmittel gibt es Fragen, an deren Beantwortung die Industrie bereits intensiv forscht (z. B. leistungsstärkere Batterien), aber auch solche, die noch zu wenig Beachtung finden (Garantie faire Produktionsketten ohne Kinderarbeit oder Umweltverschmutzung). , Altbatterien im großen Stil recyceln). Als Verbraucher können wir nur gewinnen, wenn wir informiert sind und fundierte Entscheidungen treffen. Der Weg in die Zukunft bleibt spannend.
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