Das französische Unternehmen Upway verkauft seit 2021 gebrauchte E-Bikes über seine Online-Plattform. Unter der Führung der beiden Gründer Toussaint Wattinne und Stéphane Ficaja hat es sein Geschäft seitdem stetig ausgebaut. Upway kauft mittlerweile gebrauchte E-Bikes, überholt sie und verkauft sie an Standorten in Paris, Berlin, Düsseldorf, Mechelen, New York und Los Angeles. Im Herbst 2024 trafen wir Alessandro Pregel und Erik Haamer im UpCenter in New York. Bei einem Rundgang sprachen wir mit den beiden über die damals bevorstehende – und inzwischen abgeschlossene – Eröffnung der Niederlassung in Los Angeles, die Geschäftspläne von Upway in den USA und die grundlegenden Unterschiede zwischen E-Bikes und E-Bike-Fahren in den USA und Europa.
Alessandro, während unseres Gesprächs gehen wir durch Ihr UpCenter in New York. Das scheint ziemlich groß zu sein.
Ja, mit rund 3.000 Quadratmetern ist dies unser viertgrößter Standort weltweit. Nur die in Paris, Berlin und Düsseldorf sind größer.
Bei der Miete sieht das Verhältnis wohl anders aus, oder?
Tatsächlich zahlen wir etwa zehnmal mehr pro Quadratmeter als beispielsweise für unser Lager in Mechelen, Belgien. Das hört sich teuer an und ist es auch. Gleichzeitig sind wir hier in New York City, in Brooklyn. Dieser Mietpreis gilt als durchschnittlich. Wir liegen nicht über dem Marktpreis, aber es ist eindeutig ein sehr teurer Markt.
Im März 2023 haben Sie hier angefangen. Genau zwei Jahre später, im März 2025, eröffnen Sie in Los Angeles Ihren zweiten Standort in den USA. Warum wollen Sie auch an der Westküste vor Ort sein?
Kalifornien ist derzeit der mit Abstand größte Markt für E-Bikes in den USA. Mit einigen Unterschieden zur Ostküste. Vor allem günstige E-Bikes verkaufen sich dort sehr gut. Das liegt zum einen daran, dass man das ganze Jahr über fahren kann. Menschen entscheiden sich schneller für den Umstieg auf E-Bikes, um zur Arbeit zu pendeln. Wer in Boston lebt, denkt wahrscheinlich genauer darüber nach, ob es von Dezember bis März nicht zu kalt sein könnte. Solche Gedanken spielen auf dem kalifornischen Markt keine Rolle. Auf der anderen Seite gibt es den riesigen Hafen in Los Angeles. Von dort kommen die meisten E-Bikes in die USA. Viele davon zu sehr günstigen Preisen. Daher sind die Menschen dort an ein anderes Preisniveau gewöhnt.
Gilt das landesweit?
Nun, Südkalifornien und Nordkalifornien unterscheiden sich in einigen Details. Wir erleben, dass Kunden in Nordkalifornien etwas besser informiert sind. Hinzu kommen die geografischen Unterschiede zu den Hügeln rund um San Francisco. Das erfordert eine andere Art von E-Bike. Tern ist dort sehr erfolgreich, Gazelle ist dort ansässig. Unserer Meinung nach schlägt sich Riese & Müller dort ganz gut. In Südkalifornien, insbesondere in einer riesigen Metropole wie Los Angeles, kann man jedoch nicht überall hin fahren. Viele Reisen sind kürzer als in Nordkalifornien. Deshalb geben die Leute nicht so viel Geld für Einkäufe aus. Marken wie Rad Power und Aventon sind dort sehr erfolgreich. Außerdem ist es ein Markt, in dem ein echter Bedarf an Strandkreuzern besteht. Dabei handelt es sich um einen E-Bike-Typ, den man kaum irgendwo sonst auf der Welt so häufig sieht wie dort.
Was hofft Upway durch den Umzug nach Kalifornien zu erreichen?
Damit setzen wir unseren Wachstumskurs fort und bauen wichtige, benötigte neue Kapazitäten auf. Der Standort in LA eröffnet uns neue Möglichkeiten. Die Präsenz sowohl an der Ost- als auch an der Westküste verändert die Logistik massiv. Wir erhalten Zugang zum derzeit größten E-Bike-Markt in den USA. Es gibt die meisten Kunden, die meisten Marken, die meisten Geschäfte. Dadurch ergeben sich hoffentlich viele Synergien und Effizienzvorteile, die wir nutzen können. Das wird auf jeden Fall sehr spannend.
Und das ist Upways Strategie für die USA?
Sobald wir den Osten und den Westen abgedeckt haben, ist es natürlich sinnvoll, über den Raum dazwischen nachzudenken. Schließlich handelt es sich um riesige Entfernungen von mehreren tausend Kilometern. Ein zusätzlicher Standort im Zentrum des Landes ist auf jeden Fall eine Überlegung wert. Zumal wir mittlerweile eine gewisse Reichweite haben. Dies wäre sicherlich ein großer Vorteil für die Preisgestaltung und weitere Pläne.
Welche Staaten kämen Ihrer Meinung nach dafür in Frage?
Wenn es um Fahrräder im Allgemeinen und E-Bikes im Besonderen geht, lohnt sich beispielsweise ein Blick auf Colorado. Im gesamten Außenbereich herrscht dort reges Treiben. Radfahren gilt als beliebt und weit verbreitet, sowohl auf der Straße als auch im Gelände. Viele Menschen fahren dorthin auch längere Strecken. Das könnte uns in die Hände spielen. Aber wir werden sehen.
Bleiben wir aber vorerst hier in New York. Wir sehen viele Aventon E-Bikes sowohl auf den Straßen als auch hier in der Halle. Die Marke scheint einen großen Marktanteil zu haben, oder täuscht das?
Nein, überhaupt nicht. Im Gegensatz zu Europa gehören sie in den USA zu den Marktführern. Gemessen am Verkaufsvolumen sind sie wahrscheinlich die Nummer eins. Es ist wichtig anzumerken, dass unserer Erfahrung nach etwa die Hälfte des US-Marktes aus erschwinglichen Stadtfahrrädern besteht, die 2.000 US-Dollar oder weniger kosten. In diesem Segment gibt es drei Hauptakteure: Aventon, Rad Power und Lectric. In genau dieser Reihenfolge.
Warum entscheiden sich viele Amerikaner für diese günstigeren E-Bikes?
Gerade wer zum ersten Mal ein E-Bike kaufen möchte, weiß manchmal nicht genau, wofür es später eigentlich genutzt wird. Es ist eine gute Möglichkeit, wieder mit dem Radfahren anzufangen und sollte Spaß machen. Der tatsächliche Nutzen wird oft zweitrangig betrachtet. In solchen Fällen scheint ein Aventon für 2.000 US-Dollar eine lohnende Anschaffung zu sein, verglichen mit einem Specialized-E-Bike, das doppelt so viel kostet.
Viele dieser Modelle verfügen über einen Gashebel, sodass der Motor auch dann unterstützt, wenn der Radfahrer nicht in die Pedale tritt. Warum stoßen diese E-Bikes in den USA auf so großes Interesse?
Es gibt einige wirklich gute Verkaufsargumente für den Gashebel. Nehmen wir das Beispiel einer Mutter, die zwei Kinder mit einem Lastenfahrrad transportieren möchte. Selbst in den USA dauern die meisten E-Bike-Fahrten weniger als drei Meilen. Aber daraus können schnell sechs oder sieben Meilen werden. Wenn man zusätzlich noch bergauf fahren muss, ist das eine große Herausforderung. In den USA sagen viele: Ok, mit Gas geht es für mich viel einfacher. Und ich muss nicht ständig in die Pedale treten? Perfekt.
Deutet dies auf eine etwas andere Herangehensweise an das Thema hin?
Wahrscheinlich ja. Vielleicht ein pragmatischerer Ansatz. Wenn man hier ans Pendeln zur Arbeit denkt, denkt man nicht gleich ans Radfahren. Sie fragen sich allgemeiner: Was möchte ich machen und welches Fahrzeug ist dafür am besten geeignet? Und für manche Menschen ist das Gaspedal der entscheidende Faktor, insbesondere beim Umstieg auf ein E-Bike oder beim Wiedereinstieg in den Radsport.
Technisch gesehen waren einige Modelle, insbesondere von den Billiganbietern dieser E-Bikes, im Vergleich zu europäischen Standards etwas fragwürdig mit Gashebeln ausgestattet. Wie sieht es jetzt aus?
Was die Rahmen, das verbaute Federungssystem oder die Bremsen angeht, konnten sie tatsächlich nicht immer mit der in Europa üblichen Qualität mithalten. Allerdings stellen wir fest, dass die genannten US-Hersteller mittlerweile nachziehen und auf höherwertige Komponenten setzen.
Unterschiede zwischen Europa und den USA zeigen sich auch beim tatsächlichen Fahren mit dem E-Bike in der Stadt. Zumindest für uns scheint New York auch hier nicht alles bis ins letzte Detail durchdacht zu haben.
Ja, die Infrastruktur in den USA ist derzeit nicht so gut ausgebaut wie in Europa. Fahrräder und Autos teilen sich oft eine Fahrspur. Besonders in New York muss man wirklich vorsichtig sein. Mittlerweile gibt es fast überall Radwege. Diese sind jedoch nicht durch bauliche Maßnahmen vom übrigen Straßenverlauf abgegrenzt. Und für viele noch verwirrender: Sie laufen auf der linken Straßenseite, also gegen den Verkehr nebenan. Man fährt also auf der anderen Seite, was etwas seltsam ist. Zumindest heben sie sich farblich von der tatsächlichen Rennstrecke ab. Wer hier in New York zur Arbeit will, sagt nicht nur: Hey, ich nehme mein Fahrrad und mache mich auf den Weg. Es dauert eine Weile, bis man weiß, wo man am sichersten fahren kann. In anderen Städten ist das definitiv einfacher.
Besuch bei Upway in Berlin
Bei allen Unterschieden gibt es zumindest eine Gemeinsamkeit, nämlich den hohen Anteil an E-Bikes mit Bosch-Antrieb. Wie wird der europäische Marktführer eigentlich in den USA wahrgenommen?
Fairerweise muss man sagen, dass es im Grunde die einzige Marke ist, die keine Fahrräder herstellt und trotzdem in den USA groß rausgekommen ist. Auch hier steht der Name für Qualität und Zuverlässigkeit, und das erkennt man auch. Auch Kunden, die Bosch im Zusammenhang mit E-Bikes nicht kennen. Ein Beispiel: Immobilienanzeigen in New York werben häufig mit Angaben wie „Bosch-Küche“ oder „Bosch-Küchengeräte“. Das ist ein großes Verkaufsargument. Es ist ein Zeichen von Qualität. Etwas, das hier als sehr hochwertig verkauft wird. Wenn wir mit Leuten über den Bosch-Antrieb sprechen, hören wir oft, dass sie bereits gute Erfahrungen mit der Marke gemacht haben. Allerdings mit Herd oder Waschmaschine statt E-Bike.
Alessandro und Erik, vielen Dank für das Interview.
Bauherr: Upsway USA Inc. (C-Corp)